Fake News und der Journalistische Ehrencodex

Nachdem es derzeit vielen Menschen nicht leicht fällt, seriöse von weniger seriösen Informationen zu unterscheiden, möchte ich hiermit einmal den Blick auf Qualitäsjournalismus lenken. Und aufzeigen, warum in der derzeitigen Fake News- und Desinformations-Welle hochwertiger Journalismus und freie Medien besonders wichtig sind.

Journalismus hat grundsätzlich die Aufgabe, Konzepte und Motive unserer PolitikerInnen zu hinterfragen, Machtstrukturen aufzuzeigen und die Bevölkerung umfassend und möglichst korrekt zu informieren. Damit er das gut machen kann, brauchen Journalistinnen und Journalisten Rahmenbedingungen, in denen sie frei und unbeeinflusst arbeiten können. Das nennt man dann „die freie Presse“.

Die freie Presse gilt eine wichtige Säule einer funktionierenden Demokratie. In Abgrenzung zu Parteizeitungen, Blogs, Vlogs und anderen kommerziellen oder laienhaften Angeboten verpflichten sich seriöse Medien freiwillig dem journalistischen Ehrencodex des österreichischen Presserates. In ähnlicher Weise funktioniert der Pressecodex für journalistische Grundsätze des Deutschen Presserates. Sehen wir uns mal an, was dieser journalistische Ehrencodex sagt:

Die wichtigsten Inhalte des journalistischen Ehrencodex

Genauigkeit: Informationen werden gründlich recherchiert, damit die Info auch wirklich stimmt. Zitate – also wörtliche Wiedergabe – werden durch Anführungszeichen gekennzeichnet. Beispiel: „Du sollst nicht alles glauben, was im Internet steht“, hat Silja immer gesagt.

Sollte es passieren, dass falsche Informationen veröffentlicht werden, wird eine Richtigstellung nachgereicht. Also man gibt zu, dass ein Fehler passiert ist und sagt, wie es richtig gewesen wäre.

Unterscheidbarkeit: Für die LeserInnen muss klar sein, ob ein Beitrag ein Tatsachenbericht oder eine Meinungsäußerung/Kommentar ist. Fotomontagen und Bildbearbeitungen werden gekennzeichnet.

Einflussnahme: Außenstehende dürfen keinen Einfluss auf die redaktionelle Arbeit haben. Arten von Beeinflussung: Geschenke/Bestechung, wirtschaftliche Interessen des Verlages (nein, ein Werbekunde bekommt bei einer seriösen Zeitung keinen „PR“/ redaktionellen Beitrag als Draufgabe geschenkt!), psychischer Druck und Ähnliches. Wird einE RedakteurIn zu einer Reise eingeladen und berichtet darüber, wird das im Reisebericht klar kommuniziert.

Persönlichkeits-Schutz: Niemand darf in einem Beitrag diffamiert, verunglimpft oder verspottet werden. Durch die journalistische Arbeit dürfen Menschen nicht in Gefahr gebracht werden. Verbrechensopfer haben ein Recht auf Anonymität. Ausnahme: Amtliche Gründe, wenn das Opfer eine bekannte Persönlichkeit ist oder von sich aus der Veröffentlichung zustimmt.

Jeder Mensch hat ein Recht auf Schutz der Intimsphäre, das gilt besonders für Kinder und Jugendliche.

Diskriminierung und Pauschal-Verunglimpfungen: Keine Pauschalverdächtigungen und Pauschalurteile von Personengruppen, insbesondere Diskriminierung aufgrund von Alter, Behinderung, Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit, Religion, sexuelle Orientierung, weltanschauliche Gründe. Keine Verspottung von religiösen Lehren oder anerkannten Religionsgemeinschaften.

Informationen und Fotos: Bei der Informationsbeschaffung wird nicht verwendet: Irreführung, Druck ausüben, einschüchtern, emotionale Stress-Situationen ausnutzen, geheime Abhörgeräte verwenden. Verdeckte Recherchen sind bei besonderem öffentlichen Interesse möglich.

  • Beispiel „Ibiza-Affäre“: Meine persönliche Einschätzung: Ein Vizekanzler (Heinz-Christian Strache, FPÖ) und ein Bundesparteiobmann (Johann Gudenus, FPÖ) die sich darüber austauschen, wie sie sich möglichst unbemerkt bestechen lassen, wie sie Gesetze zur Parteienfinanzierung umgehen und wie sie am besten unabhängige Medien unter ihre Kontrolle bringen, fällt meiner Ansicht nach unter „besonderes öffentliches Interesse“, das ein geheimes Abhören rechtfertigt.

Autos, Reisen, Tourismus: Reise- und Tourismusberichte beinhalten immer auch soziale und politische Themen des Reiselandes. Bericht zu Auto-/Motor-Themen beinhalten auch umwelt- und verkehrspolitische Themen. Berichte über Konsumgüter und Gastro-Angebote müssen nachvollziehbar sein.

Öffentliches Interesse: Bei PolitikerInnen, Personen des öffentlichen Lebens, Gefahr für die Bevölkerung oder ähnlichen Situationen ist zwischen dem besonderen Interesse der Öffentlichkeit, Schutz der Öffentlichkeit (auch Verhindern von Irreführung) und dem Persönlichkeitsschutz der betroffenen Person sorgfältig abzuwägen!

Interesse von MedienmitarbeiterInnen: Private und geschäftliche Interessen von MedienmitarbeiterInnen haben keinen Einfluss auf redaktionelle Inhalte. Sie nutzen Informationen, die sie als JournalistInnen erhalten, nicht für persönliche oder berufliche Vorteile.

Suizidberichterstattung: Über Selbstmorde, Selbstmordversuche und Selbstverstümmelung wird nur zurückhaltend berichtet. Grund: Nachahmungsgefahr!

Beispiele für Medien, die sich dem journalistischen Ehrencodex verpflichten

Eine große Anzahl von Medien hat sich freiwillig dem journalistischen Ehrencodex verpflichtet. Die ganze Liste gibt es unter diesem Link.

Einige Beispiele: Bezirksblätter, das Biber, der Standard, die Furche, die Presse, Falter, Konsument, OÖNachrichten, Profil, Tiroler Tageszeitung, Wiener Zeitung, Wienerin und viele andere.

Hält sich ein Medium nicht an diesen Ehrencodex, gibt es die Möglichkeit für ein Verfahren vor dem Presserat. Das ist kein Gerichtsverfahren, aber das Medium verpflichtet sich bei Verurteilung zu einer Richtigstellung oder einer anderen Vereinbarung.

Medien, die sich nicht dem Ehrencodex verpflichten, können demnach – sofern sie damit nicht konkrete Gesetze brechen – ungehindert Fehlinformationen verbreiten, Menschen bloßstellen, oder zum Beispiel wirtschaftlichen oder politischen Interessen folgen anstatt Menschen objektiv und so richtig wie möglich zu informieren.

Hinweis: Silja Kempinger kann man zum Thema Medienkompetenz & Fake News für Workshops und Vorträge buchen. Alle Infos unter www.laut.co.at .

Photo: Mike Lawrence. Lizenz: Attribution 2.0 Generic


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