Framing Silja

Framing: Sprache ist Politik

Sprache beeinflusst unser Denken und unser Handeln. Das ist neurowissenschaftlich zweifelsfrei belegt. „Frames“ sind die Deutungsrahmen von Sprache. Sie definieren, welche Gedanken und Gefühle Worte auslösen. Sprache ohne Framing gibt es nicht. Wenn wir das Wort „Baum“ hören oder lesen, entsteht vor unserem geistigen Auge ein Bild von einem Baum. Ob Eiche, Birnbaum oder Dattelpalme hängt von unseren Erfahrungen und Erinnerungen ab.

Von wegen Homo Oeconomicus

Wir möchten ja gerne glauben, dass wir unsere Entscheidungen wohlbedacht und gut überlegt fällen. Das ist jedoch im Regelfall ein Irrtum. Beispiel gefällig? Wenn du von deiner Ärztin erfährst, dass du bei einer Operation mit 15%-iger Wahrscheinlichkeit stirbst, wirst du der Operation ängstlich entgegenharren. Sagt dir die Ärztin jedoch, dass mit 85%-iger Wahrscheinlichkeit die Operation problemlos verläuft, wirst du dem großen Tag mit Gelassenheit entgegentreten. Reine Fakten sind nutzlos, wenn sie nicht durch Framing fühlbar werden.

Alltag, Emotion, Manipulation

Schon unsere Großmütter wussten, dass es einen Unterschied macht, ob das Glas halb voll oder halb leer ist. Den rational entscheidenden Homo Oeconomicus, für den ein halb volles oder ein halb leeres Glas sich gleich gut anfühlen, gibt es nicht.

Der Weg zur Manipulation ist beim gezielten Einsatz von Framing ein recht kurzer. Gerade populistische Parteien sind sich der Macht der Worte bewusst und nutzen diese gezielt, um Ängste und Emotionen zu schüren und das Wahlvolk zu mobilisieren.

Eine der perfidesten Worterfindungen der jüngeren Geschichte ist das Wort „Flüchtlingswelle“. Die Endung -ling ist eine Verkleinerungsform, die den geflüchteten Menschen Bedeutung wegnimmt. Außerdem heißt es DER Flüchtling. Nicht DIE Flüchtling. Nicht DAS geflüchtete Kind. Der Flüchtling ist männlich, mit allen Assoziationen, die Menschen mit Männlichkeit verbinden: Stärke, Eroberungwille, Ehrgeiz.

Und eine Welle ist eine nicht aufzuhaltende Naturgewalt, die alles überrollt. Die „Flüchtlingswelle“ zeichnet also ein Bild von unbedeutenden, starken Männern, die über uns hereinrollen, ohne dass wir etwas dagegen unternehmen können.

Mangelndes Bewusstsein für Framing im Journalismus

„Flüchtlingswelle“ ist ein bewusst gesetztes, politisches Framing, das Medien nicht übernehmen hätten dürfen. Dass dieses Framing über die Medien in den alltäglichen Sprachgebrauch übergegangen ist, hätte bei ausreichendem Bewusstsein der Medien für den gezielten Einsatz von Worten nicht passieren dürfen. Kritischer Journalismus muss jede Presseaussendung auf gezieltes Framing untersuchen und dieses gegebenenfalls durch neutrale Begriffe ersetzen. Das gilt insbesonders für Presseinfos von PolitikerInnen und politischen Parteien, aber auch von Institutionen und Unternehmen.

Politik mit Rückgrat schätzt die freie Presse

Gleichermaßen kritisch zu betrachten ist das Übernehmen von inszenierten Pressefotos. Demokratisch gefestigte Politikerinnen und Politiker erlauben unabhängige PressefotografInnen und stellen sich den Fragen kritischer JournalistInnen. Denn kritische Fragen zu stellen, die Konzepte und Versprechungen der Politik zu hinterfragen und sie auf ihre Durchdachtheit und mögliche Auswirkungen abzuklopfen ist die ureigenste Aufgabe von freiem Journalismus in einem freien Land.

Framing ist nicht böse

Framing kann gezielt eingesetzt werden, um Feindbilder zu schaffen und Menschen zu manipulieren. Deshalb ist Framing aber noch nicht an sich böse. Dazu ist es viel zu alltäglich.

Auch Marktkommunikation und Werbung nutzen Framing, um Bilder im Kopf entstehen zu lassen. Storytelling bettet Produkte in Geschichten ein, in die die Menschen eintauchen können. Framing macht aus Produkten Markenwelten, in denen sich Menschen wohlfühlen und die für manche Menschen sogar identitätsstiftend sein können. Nachdem derartige Geschichten und Frames im Allgemeinen positiv gestaltet sind, ist daran grundsätzlich nichts auszusetzen. Trotzdem schadet es im Sinne alltagstauglicher Medienkompetenz nicht, sich solcher Methoden und Möglichen bewusst zu sein. Und mit offenem, kritischen Geist durchs Leben zu gehen.

Lesetipp:
Elisabeth Wehling: Politisches Framing: Wie eine Nation sich ihr Denken einredet – und daraus Politik macht.

Foto: seyed mostafa zamaniCreative Commons CC 2.0 Lizenz

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